Sonntag, März 12, 2006

Ein Porträt

Das Bedürfnis gerade jetzt mit dem Bloggen anzufangen, stammt von einem bestimmten Erlebnis gestern - ein Konzert um genau zu sein - an das ich mich sonst wahrscheinlich nicht mehr lange erinnern könnte. Hier wäre nun wahrscheinlich ein Zitat angebracht:

"'Cause I'm a million miles away, will you get this letter?
Jagged pulp sliced in my veins, I write to remember."

Diese Worte stammen von Cedric Bixler-Zavala, seinerseits Sänger meiner Lieblingsband The Mars Volta und ehemals auch Frontmann von At the drive-in. Die Textzeile kommt im wohl bekanntesten At the drive-in Song (One armed scissor) vor. Dies wirft natürlich unwillkürlich die Frage auf, welche quantitativen Folgerungen aus dieser Formulierung getroffen werden können bzw. inwiefern ich überhaupt berechtigt bin, ein superlatives bekannt direkt mit At the drive-in in Verbindung zu setzen...

Nun aber wieder zurück zum Konzert: Als Location diente das Veilchen im Stadtpark (es war mein erster Ausflug dorthin) und als Bezahler des zerstreuenden Unterhalts dienten die drei österreichischen (mit Vorbehalt) "Nachwuchsbands" Fragments Of An Empire, Jhana Sambodhi und Monrow. Von nun an gilt der Beschluss sämtliche Wortanfänge in Bandnamen in diesem Blog groß zu schreiben.

Zur Show wäre allgemein zu sagen, dass ich persönlich von allen Bands angenehm und positiv überrascht worden bin. Fragments Of An Empire sind eine reine Instrumental-band, weshalb anfangs doch eine gewisse Skeptik meinerseits vorhanden war. Diese stellte sich jedoch als absolut unbegründet heraus, da die vier Fragmente mit Ausnahme einiger Passagen eine musikalisch sehr feine Klinge führten und somit ihren Auftritt durchaus kurzweilig gestalteten. Dies könnte natürlich auch eine direkte Konsequenz der tatsächlichen Auftrittszeit (ich glaube es waren nur einige wenige Lieder.... vielleicht doch nicht so kurzweilig?) sein.

Jhana Sambodhi (komischer Name und ich bin der festen Überzeugung, dass ein stummes h in jedem Bandnamen durchaus genügt) waren mir schon von einer Demo-CD bekannt, die mich - offen gesagt - alles andere als begeisterte. Jhana fallen eindeutig in die Kategorie Liveband mit dem rocktragenden Gitarristen Tobi, dessen Einladung uns überhaupt erst dazu bewogen hat, dieses Konzert zu besuchen, und einem über die Maßen furchteinflössendem Sänger (keine Schuhe, dafür schwarze Stutzen mit abgeschnittenen Zehen, totenkopftragende "Unterarmschoner", ein biomechanisches Tatoo auf der rechten Schulter und, zwar künstlich aufgetragene, aber dennoch nicht minder der Hölle entsprungene Augenringe). Wie bereits oben erwähnt überzeugten auch diese finsteren Gesellen, jedoch nur in den kraftvollen, schnellen (Gemma!)-Passagen, die von der offensichtlichen Schwäche des Sängers tatsächlich zu singen gut abzulenken vermochten. Außerdem war ich ab der Mitte des Auftritts etwas abgelenkt und konnte mich nicht mehr hundertprozentig auf die Musik konzentrieren, aber dazu später mehr.

Monrow ist eine mir bis gestern unbekannte Band, von der ich demnach keine hohen Erwartungen hatte und die mich deshalb umso postiver überraschten. (Übrigens... wer sich in diesem Blog Lebensweisheiten erhofft, sollte sich nicht zu viel erwarten...) Die von Monrow propagierten Riffs waren das Beste, was ich in letzter Zeit überhaupt gehört habe und ganz sicher keine Eintagsfliegen, da sie sich wie ein roter Faden durch die Labyrinthartige Soundmischung (Stimme zu laut... Stimme zu leise... Backupstimme quasi nicht vorhanden) ziehen. Diese Kritik bezieht sich im Übrigen nicht auf die Qualität der Band sondern auf die des Mischers, der jedoch vermutlich auch nur ein Opfer der Akustik im Veilchen war. Eigentlich egal. Besonders zu erwähnen wäre hier unbedingt noch der Schlagzeuger, der einen grandiosen Unterhaltungswert besaß und es sichtlich genoß nicht hinter der Band versteckt, sondern seitlich, direkt beim Publikum zu sitzen. Seine Gardarobe bestand übrigens aus einem At the drive-in Leiberl (At the drive-in ist übrigens von der Großbuchstabenregel ausgenommen), auf dem dasselbe Motiv wie auf dem Poster über meinem Bett zu sehen ist. Alle die jetzt erst eingeschaltet haben, möchte ich bitten noch einmal nach oben zu scrollen und sich des At the drive-in induzierten multiplen Höhepunkts innerer Freude, den mein Sinn für nutzlose und sinnfremde Verknüpfungen beim Schreiben dieser Zeilen erfährt, bewusst zu werden. Breites Grinsen meinerseits, danke.

Nun ja, gerade wird mir bewusst, dass die Länge dieses posts schon erhebliche Ausmaße angenommen hat, obwohl der Hauptgrund meines postings noch gar nicht behandelt wurde. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass dies mein letzter Ausflug in die Welt der Musikkritiker war, zu auffallend scheint der Mangel an fachlichem Verständnis und zu groß der Drang einfach nur sinnlos daherzuschreiben. Wie dem auch sei, das Highlight des ganzen Abends war keineswegs eine der Bands, sondern ein ganz bestimmter Teil des Publikums:

Er war ein rotbärtiger Hutträger (ja ich weiß), offensichtlich fester Bestandteil des Veilchen-klientels und als solcher unter eben diesem auch aufgrund seiner sophistischen Nonsensakrobatik hoch geschätzt. Sein Aussehen und Auftreten fiel mir bereits am Anfang auf, und meine Aufmerksamkeit wurde geschürt als er einen Zettel auspackte und die Anwesenden bat jeweils ein Wort zu sagen, um seinen heutigen späteren Auftritt zu charakterisieren. Dies veranlasste mich zu denken, dass er natürlich Mitglied einer Band sein musste, was sich später als klassische Fehleinschätzung herausstellte. Er war wirklich lediglich Veilchen Stammgast und Jhana Sambodhia Sympathisant. Wie dem auch sei, sein Auftritt sollte durch die Begriffe "Gott" und "Bauer" charakterisiert werden (mein Beitrag "flauschig" ging in der allgemeinen Begeisterung hauptsächlich akustisch, aber wohl auch ideologisch unter).

Dann startete es: Zuerst schlich er fast schüchtern in die erste Reihe, leicht zurückgelehnt das Publikum beäugend (mit dem Rücken zur Band), den Mund unterm mittelgescheitelten Walroßbart zu einem kaum merklichen Schmunzeln verzogen. Bis sein Einsatz kam, ungefähr in der Mitte des Jhana Sambodhia (mir gefällt es mittlerweile sogar diesen unwirklichen Namen zu schreiben) Auftritts; Er begann zu moshen in einem Bewegungsradius, der fünf Menschen würdig erschien, mit aggressivsten Bewegungen, bis die Klangkulisse ruhiger wurde. Dann schlängelte er seinen rechten Arm nicht obszön, aber eindeutig und lasziv um den Mikroständer.
... Wieder lauter-wieder moshen bis der Hut flog und Sexualakt und Musik miteinander verschmolzen. So tanzte er die weiblichen Zuseher mit elegant schwingenden Hüften, die männlichen fest umklammert mit harten, direkten Stößen aus dem Unterleib an. Keiner im Publikum, dem das nicht einen skeptischen bis schlichtweg angstverzerrten Blick ins Gesicht trieb. Die Show wurde allmählich zur unwichtigsten Nebensache, nur noch die besttimmten 8 Quadratmeter Tanzfläche interessierten. Ich war wie versteinert ob der Hingabe und Rücksichtlosigkeit.... große Emotionen oder großes Theater?

....meine Ohren pfeifen noch immer

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

hier mein versprochener kommentar. ich bin sehr erstaunt darüber, mit welch verschnörkelter sprache du bilder dennoch in solcher klarheit und detailliertheit beschreiben kannst und ihnen gleichzeitig einen solch philosophischen glanz verleihst, dass auch meine ohren nun das klingen hören können, von dem du gesprochen hast...:)

2:02 PM  

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