Samstag, September 23, 2006

Unruhen (Wort der Woche)

Um nun doch gleich mehreren Anfragen zu antworten, die mir diesbezüglich untergekommen sind, hier nun ein kleiner Erfahrungsbericht eines temporären Ortsansässigen, mehr oder weniger Unbeteiligten über die Vorkommnisse in Budapest. Ich bekomme von den Unruhen nicht nur was mit, ich bin mittendrin. So wird der Weg zur Uni dadurch erschwert, dass er am öffentlichen Radiosender vorbei führt, der ja 1956 der Ursprung der Aufstände gegen das kommunistische Regime darstellt. Aufgrund seiner geschichtsträchtigen Bedeutung ist jene besagte Straße mit teilweise bis zu rund 50 Polizisten gesperrt... So sind wir am Dienstag in der Nacht am direkten Heimweg gehindert worden, nur um in späterer Folge unseren Platz, Rákoczi tér, verwüstet vorzufinden. Dies veranlasste uns, dazu mit Videokamera bewaffnet so schnell wie möglich wieder auf die Straße zu gehen und uns mit einigen Ungarn zu unterhalten. Dabei wimmelte es nur so von Boots- und Bomberjackentrangenden, kahlrasierten, SS-Lieder gröhlenden Aufständischen, aber auch von ganz normalen deutschsprechenden Musiklehrern, die nur dort waren, um auf ihr Auto aufzupassen und uns unkundige Auswärtige unter vermehrtem Palinka-verzehr über die Hintergründe der ganzen Geschichte aufzuklären. War ansonsten aber eigentlich ein ruhiger Abend.

Da ruhige Abende aber eigentlich langweilig sind, gings am Mittwoch wieder um halb zwei auf die Straße, nur um noch etwas aktiveres sightseeing zu betreiben. So wurden wir dank perfekten Timings Zeugen davon wie die Polizei die vermeintlich grösste Kreuzung in Budapest (das Oktogon) von Aufständischen befreite, quasi leerfegte. War ein ziemlich beeindruckendes Ereignis, vor allem wenn auf einmal rund 100 Leute auf dich zuflüchten, oder wenn aus zwei alten sowjetischen Transportern um die 60 komplett ausgerüstete Polizisten herausspringen und an dir vorbei auf den Platz stürmen. Übrigens verdient Tränengas (oder wie von Andrea übersetzt traingas) seinen Namen zurecht.... waren vielleicht doch etwas zu nah dabei. Dennoch hab ich leider noch keine Reiterstaffeln gesehen, vielleicht in den nächsten Tagen.

Um mir dann jedoch das Gefühl zu geben, mittendrin statt nur dabei zu sein, entschlossen sich einige Randalierer, mir die Scheibe an der Beifahrertür einzuschlagen, indem sie sich das einzige Ausländische unter 50 Autos am Parkplatz aussuchten ohne mir den Radio oder irgendwas anderes zu entwenden. Dies senkt natürlich meine moralischen Bedenken, nun selbst auch noch ein Auto anzuzünden...

Mittwoch, September 20, 2006

Lieder des Tages CI - CIV

hier noch einige LdTs, die meine ersten Tage prägten:

Bobby Brown Goes Down - Frank Zappa

Cha Noed Dafür - Ganglords

Revolution Evolution - Tricky

The Drugs Don't Work - The Verve

Lied des Tages C

Endlich ist es soweit, das lang erwartete LdT C, sprich 100, oder eigentlich einhundert, sollte der Wert doch weder durch Zeichen, noch Symbole in irgendeiner Form geschmälert werden. Durch die lange Wartezeit schon impliziert, handelt es hierbei nun um ein ganz besonderes Lied des Tages.

Lopsided - At the drive-in
In Casino Out

Hier nun einige Gründe, warum sich dieser Song eben diesen Stellenwert verdient hat:

  • At the drive-in (siehe mein allererstes Posting)
  • um ehrlich zu sein, handelt es sich hier nicht nur um ein Lied des Tages, sondern vielmehr um ein Lied mehrerer Tage. So erinnert es mich an einige Autofahrten, die nun doch schon ein paar Jahre zurück liegen und an jene berühmt berüchtigte Perchti-Party (die Zweite), die in einem grandiosen Finish von Brandy und mir schlafend auf der Couch im Büro unseres geistlichen Beistandes endete...
  • wie die meisten Texte dieser von mir verehrten Band, erlangte ich erst später wenn auch nur geringfügige Klarheit über den Bezug der verschachtelten Worte Cedric Bixler-Zavalas. So handelt es sich um Anspielungen auf das Buch Tropic of Cancer ("the tropic of cancer answered, drink the quicksand") von Henry Miller aus dem Jahre 1934, das zunächst in den Staaten aufgrund seines anzüglichen und grafischen Inhaltes verboten wurde, weshalb ich es mir auch an meinem letzten Tag in den Staaten gekauft hatte, nachdem in einem Banana Republic store in Washington beim Warten auf die Berit ein Interview mit Henry Miller gelesen hatte. Außerdem bedeutete dieses Buch quasi meinen ersten Kontakt zu anderen Austauschstudenten, da mich eine Französin namens Cecile auf dieses Buch angesprochen hat, die uns dann in weiterer Folge zu unserer jetzigen Wohnung verholfen hat.
  • "Is this just a life-preserver, or a bivouac tenure? the tropic of cancer answered, drink the quicksand"
  • aufgrund seiner immer wiederkehrenden Frage "does it all make sense now?"
  • "this is the accent of the halfhearted land
    does it all make sense now
    and if the ship was build in borrowed sand
    does is all make sense now
    the anchor's kiss was scrawled in dyslexic crayon
    yeah it all makes sense now"
does it all make sense now?

Dienstag, September 19, 2006

Optische Eindrücke

ok, nach erwartungsfroher Ankündigung, nun doch endlich einmal ein paar fotos...

um chronologisch zu bleiben als erstes Andrea und Maggie, die mir und meinem Bazi in den ersten Tagen Unterschlupf gewährten


Andi (der Bazi), Ich und Maggie


mein zweiter, französischer WG-Kollege. nein er wirkt in Natura noch um einiges verwirrter... da Klaane (seinem WG-internen Titel nach) steckt jedoch voller Überraschungen, die meisten für ihn selbst. hier nun in Anlehnung an den Grad der unintentionierten komödiantischen Unterhaltung: http://www.youtube.com/watch?v=7GkZFBmBYSM
genau so gehts in meiner WG zu, nur dass mein Herr Müller eigentlich Spiegel heisst... oui-no-OOOOOOOOHHHHHHHHHH


das erste foto in unserer Wohnung


als Beweis, dass ich schon mehr von Budapest als nur das Nachtleben gesehen habe, mein erstes sightseeing foto... das Reiterstandbild des Andras Hadik der am 15. Oktober 1757 Berlin für 24 Stunden besetzte. Das Standbild ehrt das dritte Husarenregiment der K.u.K. Monarchie, das vor jeder Schlacht bestimmmte Teile des Pferdes zu berühren pflegte, da dies abergläubischerweise Glück bringe. Deshalb auch die blank polierten Klöten des Hengstes. Und obwohl dieser Brauch auch in der heutigen Zeit noch Bedeutung zu haben scheint (http://www.youtube.com/watch?v=qz1pTYX-x9Y), war mein Glück an diesem Abend doch eher spärlich gesegnet. So zog ich mir nach der Exchange Mega Party (lies Halli-Galli-Drecksau-Party bei einem misslungenen Husarenmanöver ein kleines Cut auf der Nase zu... Genaueres bleibt mir und dem Bodenbelag des Muzeum Körüt vorbehalten...

Donnerstag, September 14, 2006

Weil kein Eintrag vom Himmel fällt

Da ich mir der ungewöhnlich und bedauerlich langen Zeitspanne des letzten Blogs natürlich durchaus bewusst bin, wieder einmal eine kurze Erklärung, eine abermalige Rechtfertigung vor dem Herren, die anscheinend schon fast eher Regel als Ausnahme darzustellen scheint. Abgelenkt durch die dichtgedrängten sozialen Verpflichtungen der letzten Zeit, in einem semipermanenten Zustand geistiger Umnachtung, sozusagen Nebenerscheinung jener dichtgedrängten sozialen Ereignisse, ohnmächtig und hilflos aufgrund des Nichtvorhandenseins einer virtuellen Verbindung zur Aussenwelt, blieb es mir leider verwährt, meinen literarischen Schließmuskel zu öffnen und herausregnen zu lassen, was unbedingt heraus wollte. So eine Scheiß Metapher... Das sind wahrscheinlich die letzten Überreste der Schwab'schen Fäkaliendramen, die anscheinend schnell verdaut und noch schneller ausgeschieden werden wollen, nur um dem Synonym Diarrhoe alle Ehre zu machen. Jetzt ist es aber genug mit Verdauungstrakten und Stoffwechsel induzierten Metaphern, Zeit sich anderen Aspekten des Lebens zu widmen.

So bleibt mir wahrscheinlich nur zu berichten, dass ich am letzten Wochenende noch einmal den Sommer verabschiedet habe, in Form eines Strandurlaubes in Pula/Kroatien mit 17 anderen Austauschstudenten aus insgesamt 9 oder 10 Ländern. Eine sehr willkommene und angenehme Erholung nach den ursprünglich doch relativ anstrengenden ersten Tagen in Budapest. Es gibt in meinem Hinterkopf den Plan auch Fotos von diesem Roadtrip zu posten, der zur Zeit jedoch daran scheitert, dass sich noch keine Fotos von diesem Trip in meinem Besitz befinden...

Im Allgemeinen nun noch einige Beobachtungen meiner bisherigen Zeit hier: Es ist um einiges schwerer hier Ungarn als andere Ausländer kennen zu lernen, vermutlich weil eine selbstverständliche geografische sowie eine eventuelle Unkenntnis der hiesigen Stadt alle quasi Touristen immer wieder Zusammenzuführen, so trifft man an irgendwelchen beliebigen Orten immer wieder bekannte Gesichter.

Meine Kurse sollten alle diese Woche starten, nur dass dies niemand so genau nimmt und die Termine in zwei Wochen dann persönlich mit dem Vortragenden fixiert werden. Es ist hier möglich auf die persönlichen Wünsche jedes einzelnen Stdenten einzugehen, herrscht doch ein relativ familiäres Klima. So befindet zum Beispiel in meinem Milch und Fleischlabor nur noch ein anderer Student... In anderen Kursen sind jedoch oft bis zu acht Studenten zugegen. Mehr können vermutlich wegen der ungemein allgegenwärtigen Disorganisation kaum aufgenommen werden.

Meine literarische Schöpfungskraft neigt sich jetzt schon eher dem Ende zu, mein symbolischer Muttermund schließt sich so langsam (so ganz ohne Körpervorgänge gehts dann doch nicht), also werde ich noch versuchen mit noch einigen Bildern meine Eindrücke zu untermalen....